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Die Rechtsprechung in Ban Larasch

Die Rechtsprechung in Ban Larasch liegt in den Händen der Priester. Im Stammesland der Elfen sind die Ganatorpriester für die Rechtsprechung nach dem Gesetz des Drachen zuständig und im restlichen Ban Larasch die Priester der Bruderschaft des Ankalor.

Kommentar von Talwyn ku sal uhjanas te cal me z'unjan Hohepriester des Ganator

Das umstrittene Tal

Die folgende Geschichte zeigt eine wahre Begebenheit auf, die die Funktion und Bedeutung der Priester der Bruderschaft des Ankalor als Richter und deren Art der Rechtsprechung deutlich macht. Ihre Urteile sind anfänglich manchmal schwer zu verstehen, doch meistens werden ihre Entscheidungen später nachvollziehbar.

Im Jahre 738 nach der "Versammlung der Einigkeit" gerieten zwei Großbauern aus der Regentschaft Telgret in Streitigkeiten. Sie riefen den Priester der Bruderschaft des Ankalor, Belgeret Cyrel, in seiner Funktion als Richter an und baten ihn, in ihrem Fall Recht zu sprechen. Das Tal war ein sehr fruchtbares Gebiet, daß genau auf der Grenze ihrer beiden Ländereien lag. Die Bauern stritten sich darum, wem von beiden das Land nun gehöre und wer es bestellen dürfe.

Belgeret Cyrel bat die beiden Bauern in den Tempel, um sich ihre Aussagen in Ruhe anhören zu können. Zuerst bat er den Großbauern Numir Istvan um seine Ansicht. Der erklärte, daß das Tal ihm gehören müsse, denn schon sein Urgroßvater ließ hier seine Schafe weiden. Später habe der seine Tiere aber auf näher gelegene Weiden gebracht. Es wäre also das Land seiner Familie und er hätte es nur vorübergehend brach liegen lassen.

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Nachdem Belgeret Cyrel eine Weile nachdenklich geschwiegen hatte, erteilte er nun Zafar Olat das Wort. Der sagte, daß er ein Papier des Regenten zu Telgret aus dem Jahre 612 habe, in dem dieser seiner Familie die Nutzung seines Landes einschließlich des Tales zuspräche. Bis heute hätte seine Familie dieses Tal allerdings nicht genutzt, da das nicht nötig gewesen wäre.

Wieder schwieg Belgeret Cyrel eine Weile. Dann fragte er beide, was denn in den letzten Jahren mit dem Tal geschehen sein und beide antworteten, daß es die ganze Zeit schon brach läge. Der Priester bat sich Bedenkzeit aus und schickte die Großbauern nach Hause. Er würde sie benachrichtigen, wenn er eine Entscheidung getroffen habe. Er setzte sich in die wärmende Sonne, auf die Stufen der Treppe vor seinem Tempel, um ein gerechtes Urteil zu ersinnen. Es war Markt und es herrschte buntes Treiben auch in der Nähe der Tempeltore. Er wurde auf zwei Frauen aufmerksam, die ein aufgeregtes Gespräch an einem Marktstand führten. Die eine der Frauen berichtete der anderen von den neuesten Ereignissen:

"Habt ihr schon vernommen, meine Liebe, was sich zugetragen hat? Das ist ein Skandal! Also, Klara, die Tochter des Großbauern Zafar Olat, hat es vor einigen Tagen aufs schärfste abgelehnt Haro, den Sohn des Großbauern Numir Istvan, zu heiraten. Und das, wo sie dem Jungen doch schon bei ihrer Geburt versprochen worden war. Darüber ist unter den Familien ein böser Streit entbrannt. Dazu kommt noch, daß Klara sich in einen einfachen Landsknecht ihres Vaters verliebt haben soll. Der Landsknecht, ich glaube er heißt Petron Ilano, wurde von dem alten Olat in Acht und Schande von seinem Hof gejagt. Daß die Tochter einen einfachen Landsknecht ehelichen will, kann er dann wohl doch nicht ertragen. Wenn das so weitergeht, streiten sich die Familien Olat und Istvan bald noch bis aus Blut."

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Belgeret Cyrel hatte genug gehört, erhob sich und ging in die Altarhalle zurück, um noch einige andere wichtige Dinge zu erledigen. An gleichen Abend erschien ein einfacher Mann im Tempel und bat den Priester ihm sein Gebet abzunehmen und ihn in seiner Bitte, die er an Ankalor hätte zu unterstützen. Er berichtete, daß er in ein junges Mädchen verliebt sei. Aber ihr Vater habe die Heirat verboten und ihm untersagt, die Frau seines Lebens zu sehen. Nun säße sie im Hause ihres Vaters und weine nur noch vor Trauer um ihn und ihm selbst bräche das Herz, wenn er daran dachte, wie unglücklich sie jetzt war. Er bat Belgeret Cyrel mit ihm darum zu beten, daß seine Geliebte auch ohne ihn schnell wieder glücklich werden solle, denn er könne ihr Leid nicht mehr ertragen. Der Priester wollte dem jungen Mann den Gefallen gerne tun und frage ihn nach dem Namen des Mädchens, damit er sie in seine Gebete einschließen konnte. Es war Klara Olat, die Tochter des Großbauern Zafar Olat. Cyrel sprach dem jungen Mann Trost zu und versicherte ihm, daß sich für sie bald alles zum guten wenden würde. Der Landsknecht Petron Ilano verließ den Tempel am späten Abend nach vielen Stunden des Betens.

Am folgenden Tag rief der Ankalorpriester die beiden Bauern zu sich, um seinen Richterspruch zu fällen:

"Nun hört mein Urteil über euren Streit. Zafar Olat, du bist voller Zorn, weil ein Versprechen nicht eingehalten wurde. Und du, Numir Istvan, bist voller Zorn, weil deine Tochter sich weigert das zu tun, was du von ihr verlangst. Und mich ruft ihr nun an, ich solle euren Streit über das Tal schlichten. was nicht wirklich der Grund eures Streits ist, sondern nur als Streitobjekt herhalten muß.

Nun, so hört meine Entscheidung. Das Tal, von der Spitze der Berge im Westen bis zur Spitze der Berge im Osten, mit all seinen Früchten des Bodens wird von nun an Eigentum des Ordens, denn keiner von euch braucht dieses Tal."

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Die Empörung über dieses Urteil war beiden deutlich anzusehen. Zornerfiillt sprangen sie auf und begannen lauthals zu protestieren. Sie bedrängten Belgeret Cyrel und jeder versuchte den anderen zu übertönen. Der  Priester aber ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Als er die Streithähne endlich beruhigt hatte, sprach er weiter:

"Bevor ihr euch nun noch länger beschwert, wartet erst einmal ab, denn ich will das Urteil begründen. Es mag  vielleicht in euren Familien so Brauch sein, die Kinder einander bei ihrer Geburt zu versprechen, doch dieser Brauch ist nicht gut. Eure Kinder sind Menschen mit eigenen Gefühlen, Vorlieben und Interessen. Und sie sollten denjenigen heiraten dürfen. der sie mit seinen Minnekünsten für sich gewinnt. Euch würde es doch auch nicht gefallen, wenn jemand anderes über euer Lebensschicksal bestimmen wollte. Ihr habt einfach bestimmt, ohne eure Kinder zu fragen; das ist ein Vergehen gegen den freien Willen des Einzelnen, der doch überall gegeben sein sollte. So ist mein Urteil, daß keinem von euch länger das Tal gehört. Klara Olat soll den Landsknecht Petron Ilano heiraten dürfen, wenn ihre Herzen noch immer für einander schlagen."

Mit diesen Worten ließ der Priester die verdutzten Bauern stehen. Diese gingen dann gemeinsam, versunken in tiefe Gedanken, auf ihre Höfe zurück.

Nur eine Woche später schlossen Klara Olat und Petron Ilano im Tempel den Bund der Ehe. Als Hochzeitsgeschenk überließ Belgeret Cyrel dem jungen Paar das umstrittene Tal.

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